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Mittwoch, 6. Oktober 2010

Entoto - über den Dächern von Addis

So, nun sind einige Tage seit dem letzten Eintrag vergangen, aber ich hab’s einfach nicht früher geschafft. Außerdem ist es gar nicht so einfach, da ich von Äthiopien der Zensur wegen nicht auf meinen Blog zugreifen kann. Aber dafür gibt es Lösungen, und zudem freut es mich zu verkünden, dass ich letzten Sonntag tatsächlich W-Lan gefunden habe und dann auch endlich den Treiber für meine Kamera runterladen konnte, die Bilder auf mein Notebook und von da weiter per USB an ein internetfähiges Gerät im Büro…
Die letzten Tage waren sehr ausgefüllt, da hier eigentlich stets volles Programm herrscht. Unter der Woche befand ich mich bis mindestens 17:30 (in D 16:30) im Büro, doch auch die Abende waren verplant.
Aber der Reihe nach… Am Freitag war die Woche sauber ausgeklungen; das Goethe-Institut (sowie andere Institutionen) war beim Botschaftsempfang vertreten, was ausgesprochen unterhaltsam war. Ein kleines, subjektives Highlight für mich war die Riesenschildkröte, die hinter unserem Stand gewartet, geschlafen, verharrt, möglicherweise philosophiert hat… jedenfalls hat sie sich stundenlang keinen Zentimeter bewegt. So würde ich auch 100 Jahre alt werden! Als sich die Gesellschaft dann etwas lichtete, hangelte sich ein Affe aus dem Bäumen und suchte nach Essensresten.
Ich hab mindestens so große Augen gemacht wie Mila Superstar und auch gelacht wie die Sonne über Fujiyama, aber meine Umgebung war nicht so beeindruckt. „Siehste hier dauernd…“, hieß es. Ich hatte bislang keine freilebenden Affen gesehen, und deswegen lege ich Wert darauf, dass das hier erwähnt wird.
Mit meinen beiden Mitpraktikantinnen wurde der Samstag dann zum Ausflugstag erklärt. Dazu gesellten sich außerdem Zakarias, einer unserer Deutschlehrer und Igor, ein herausragender Pianist (aber dazu später mehr).
Der Ausflug führte uns zum Entoto, den Hausberg von Addis Abeba. Dazu einen kurzen Schwenk in die Geschichte:
Addis Abeba wurde erst sehr spät gegründet, nämlich 1886. Seit 1881 residierte Menelik II., der damalige König von Shewa und spätere Kaiser von Abessinien auf dem Mount Entoto, was sowohl politische als auch traditionelle Gründe hatte. Der Entoto war bereits öfters als herrschaftliche Residenz ausgewählt worden.
Meneliks Frau aber, Taytu Betel, eine - wie die Geschichte später bestätigte - äußerst entscheidungsfreudige Frau, fand den neuen Wohnsitz eher mittelprächtig. „Zu kalt, zu windig, bäh!“, dachte sie sich und als Menelik II. 1886 dann geschäftlich weg musste, nutzte Taytu die Gunst der Stunde und verlegte den gemeinsamen Wohnsitz kurzerhand ins Tal. Da gab es warme Quellen und es herrschte ein, damals wie heute, außergewöhnlich angenehmes Klima.
Ich weiß nicht genau, wie Menelik II. bei seiner Rückkehr reagiert hat (in meiner Fantasie ist der gute Mann nach monatelanger Reise durch die äthiopische Wildnis komplett fertig diesen verdammten Berg hochmarschiert, hat sich auf ein warmes Bad gefreut, einen Honigwein vielleicht dazu… und dann klebt am Zelt ein Zettel mit „Schatz, sind umgezogen! Komm wieder runter. Hdl Taytu.“) – überliefert ist jedenfalls, dass er die Idee super fand, weil endlich genug Platz für eine ganze Stadt vorhanden schien. 1892 nannte die Stadt dann Addis Abeba, „neue Blume“, und machte sie zur Hauptstadt Äthiopiens.

Aber zurück zum letzten Samstag. Der Entoto ist auf jeden Fall einen Ausflug wert, wenn man schon mal da ist, aber extra herkommen braucht man deswegen nicht. ;) Der Weg nach oben, (wir haben übrigens alles motorisiert zurückgelegt) führt durch eine arme, aber traditionelle Gegend und nicht selten kommt einem eine Herde Esel oder Schafe entgegen. Die touristische Attraktion auf dem Berg sind die Marienkirche und der Palast Meneliks II. Ich muss sagen, ich war ein wenig enttäuscht. Der 1889 erbaute Palast ist etwas unspektakulär. Natürlich ist es ein historisches Bauwerk, und natürlich darf man nicht Maßstäbe anderer Bauwerke aus der Zeit oder 2000 Jahre davor ansetzten, aber irgendwie hatte ich mir mehr erhofft.
Nebenan gibt es noch ein kleines Museum, welches einige Bilder, Werkzeuge, Waffen, Kleidungsstücke etc. zeigt. Leider, und das scheint hier ein häufigeres Problem der Museen zu sein, wird dazu recht wenig erklärt. Manchmal weiß man nicht, von wann das Objekt ist oder versteht den geschichtlichen Kontext nicht, was schade ist, weil Informationen zum Ausstellungsstück die doch spärliche Auswahl erheblich aufwerten würden.
Abgesehen davon bietet der Entoto allerdings einen sehr schönen Ausblick auf Addis Abeba, den ich natürlich auch gerne mit euch teilen möchte.
Direkt vom Entoto sind wir wieder in Stadt gefahren, und haben ein Tej getrunken. Tej (sprich: Tedsch), das ist ein Honigwein, der extrem süß schmeckt und auf nüchternen Magen ganz schön reinhaut. Serviert wird Tej in einem Berele, das ist ein Glaskolben. Nach dem Tej bin ich erst mal heimgefahren und musste eine Stunde schlafen…

Am Abend dann hatte ich die Chance, in das Nachtleben von Addis einzutauchen. Tatsächlich hat die Stadt diesbezüglich so manches zu bieten. Man muss zwar in eine der gefühlt finstersten Ecken der Stadt fahren und an die Tür eines von außen dunklen Einfamilienhauses klopfen. Drinnen erwartet einen dann aber ein sehr gutes Restaurant namens Serenade mit den für hier typisch hohen Räumen. Das Lokal besticht durch sein Ambiente. Da es auf mehrere kleine Räume aufgeteilt ist, in denen jeweils nur etwa vier Tische stehen, ergibt sich eine sehr angenehme Atmosphäre.

Mein persönliches Highlight war der anschließende Besuch in einer traditionellen Stube, in der hauptsächlich Äthiopier unterwegs waren. Die Gäste saßen auf Kissen am Rand eines größeren Raums, während in der Mitte ein Sänger mit einer Massinqo, einer Art Geige, umherspazierte.
Zur Einleitung wurden melanchonische Klänge angeschlagen, allmählich aber wurde das Ganze komischer und schließlich ging der Sänger über zu improvisieren und seine Späßchen mit den Gästen zu machen.
Ein dankbares Opfer waren wohl wir, denn wir konnten nichts verstehen. Einer unserer äthiopischen Begleiter meinte, dass die Witze teilweise etwas flach und unverschämt gewesen wären und verglich den Humor etwa mit dem Stefan Raabs… Wie dem auch sei, wir hatten uns gut amüsiert. Irgendwann setzten dann auch Trommeln und weitere Instrumente ein, der Sänger verschwand im Hintergrund und Tänzer traten auf. Die Äthiopier tanzen vor allem mit den Schultern. Um zu unterstreichen, wie schwierig das ist, wurden Gäste aufgefordert mitzumachen, beginnend selbstverständlich mit mir. Das mag ich ja so gerne… naja, so konnten auch wir noch ein wenig zur allgemeinen Erheiterung beitragen. :)

Liebe Grüße,
Armin

4 Kommentare:

  1. Dein Blog ist sowohl unterhaltsam als auch erbaulich und informativ - nun weiß ich über die Schlacht von Edwa bescheid und kenne die Gründungsgeschichte von Addis Abeba - wohl mehr, als ich über meine eigene Heimatstadt zu sagen wüsste - danke und weiter so, Armin!

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  2. ...vielleicht war der Palast (1889 erbaut) deshalb etwas unscheinbar ausgefallen, weil er möglicherweise nur als Wochenendhäuschen dienen sollte... :-) Das Königspaar hatte nach deinen amüsanten Ausführungen ja schon 1886 seinen Hauptwohnsitz nach Addis vergelegt...

    PS. Ich freue mich auf den nächsten Post! :-)

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  3. In der Tat, aufmerksamer, anonymer Leser... ;)

    Als Wochenenddomizil ist der Palast definitiv zu gebrauchen! :)

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  4. super geschrieben ARMIN weiter so dein onkel ms:-)

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