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Dienstag, 30. November 2010

Prozesstag

Nachdem ich heute mein erstes Mal an einem Prozess beteiligt war, nehme ich das als Anlass, meinen letzten Blog-Eintrag für November zu machen. Ah, und nein, nicht weil ich jetzt hinter Gitter muss...

Wie ihr euch vielleicht erinnert, ist mir am Wochenende vom 20./21.11. so einiges geklaut worden. Heute war der Prozesstag für den Kerl, den wir erwischt hatten, wie er einer Freundin in die Hosentasche gelangt hat und der mit ziemlicher Sicherheit auch mit dem Halunken zusammenarbeitet, der mir meine Kamera geklaut hat.

Erfahren habe ich von dem Prozess gestern abend - ich soll um 8.30 am Gerichtshaus sein. War ich auch, mit Sahlu, der sich mal wieder als Riesenhilfe erwiesen hat. Ich glaube, ohne äthiopische Begleitung wär ich allein schon der Sprache wegen komplett verloren gewesen. Wie dem auch sei, wir waren beide als Zeugen geladen und nachdem um 9.30 dann auch mal die Polizei angedackelt ist, konnte es im Grunde losgehen.

Der Gerichtssaal ist im Grunde ein etwas größerer Raum, wie ein Klassenzimmer, vorne sitzt der Richter, zwei Staatsanwälte, gelegentlich laufen einige Polizisten rum. Die Angeklagten, Zeugen, Angehörige sitzen bunt gemischt auf aufgereihten Holzbänken (von denen jede anders aussieht). Nacheinander werden die Fälle abgearbeitet, die Angeklagten werden nach vorne gerufen, Zeugen kommen dazu, werden dabei aufgenommen, und irgendwann verkündet der Richter sein Urteil. Die Stimmung ist trübe und nüchtern, aber nicht so düster und einschüchternd, wie ich es erwartet hatte. Es herrscht allgemein Stille, nervöses Rascheln übertönt die recht leise sprechenden Offiziellen im Raum. Trotz ständiger Ermahnung, die Handys auszuschalten, hats in einer Reihe dann doch geklingelt. Der dazugehörige Mann ist aschfahl geworden, hat aber nur einen Klaps auf den Hinterkopf bekommen.

Gegen 11.30 wurde dann unser Fall behandelt. Zwei andere Fälle habe ich mir übersetzen lassen, die will ich kurz schildern. Ein 18jähriges Mädchen war wegen Falschaussage angeklagt (sie hatte ursprünglich einen Dieb gedeckt), und wurde zu drei Monaten Gefängnishaft angeklagt.
Eine Gruppe von drei Männern wurde zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt, sie hatten 100.000 Birr (ganz grob vielleicht 4,600 Euro) von einem Mann geraubt, der gerade die Bank verlassen hatte.
Meine Zeugenaussage war dann recht kurz - vier, fünf Fragen, dann verkündete der Richter, dass der Angeklagte frei gesprochen wurde, was tatsächlich richtig war, denn um ihn ins Gefängnis zu stecken, dafür war die Beweislast einfach nicht schwer genug - schließlich gibt es nur die Aussage Sahlus.
Wie uns aber ein Polizist später erklärte, wird er weiterhin auf der Polizeistation festgehalten. Tatsächlich hat er nämlich, wohl in kleiner Runde, schon ein paar Dinge ausgequatscht - sie wissen jetzt, wer die Kamera hat und suchen weiter nach ihm. Naja, ich bin ja mal gespannt, ob ich das Ding noch mal wiedersehe.

Achja, die Schwester des Taschendiebs ist danach noch zu Sahlu und mir gekommen und hat sich entschuldigt und bedankt - warum auch immer. Ich glaube, weil ich ausgesagt habe, dass ich ihn nicht gesehen habe und das wohl entscheidend gewesen ist.

Nun, wieder ein Erfahrung mehr. Auch was, auch wenn sich meine gestrige Vermutung bestätigt hat, dass es bei dem Ganzen für mich wenig zu gewinnen gibt.

Soweit von mir, einen schönen Rutsch in den Dezember! :)

Liebe Grüße,
Armin

2 Kommentare:

  1. Ich seh schon. All die Jahre Matlock gucken hat sich nicht ausgezahlt. Hätte wohl bei "Harrys wundersames Strafgericht" bleiben sollen.
    Aber es bleibt spannend - vielleicht finden sie die Kamera ja noch. Wobei es wahrscheinlicher ist, sie hat bereits zwei mal den Besitzer gewechselt und ist auf einer Reise ... wohin auch immer.
    Wann ist eigentlich deine Rückkehr in die heimatlichen Gefilden Münchens geplant? Oder bleibst du dann gleich in Österreich weil du nach Addis nicht mehr mit Zivilisation zurechtskommst?! (Kopf einzieh)

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  2. Ich hoffe auch, dass du deine Kamera noch bekommst.
    Drück dir die Daumen...

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