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Dienstag, 21. Dezember 2010

Abschied..

Mein letzter Blog-Eintrag aus Äthiopien...

Um 4.40 geht mein Flieger, über Kairo gehts dann nach München, wo ich (inscha'allah) um 13.10 ankommen werde.

Eigentlich wollte ich ja einen richtig schönen Abschiedsblog verfassen, aber leider bin ich in Zeitnot geraten, daher werde ich meinen abschließenden, mit Reflexionen vollgestopften Finalbeitrag erst nach meiner Ankunft in Österreich online stellen.

Für jetzt sei gesagt, dass ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge zurückfliege, voller Vorfreude auf die kommenden Aufgaben, das Wiedersehen mit Familie und Freunden und natürlich die anstehende Weihnachtszeit, aber ich werde so einiges hier vermissen, ganz besonders die guten Freundschaften, die hier geschlossen wurden, aber auch das Land selbst, die Landschaften und die Menschen hier.

Ich verbleibe erst mal mit einem Dehna hunu, Addis Ababa! ደህና ሁኑ!

Liebe Grüße,
Armin

Dienstag, 14. Dezember 2010

Alle Jahre wieder....

...kommt der Nikolaus.

Nachdem eine hitzige Diskussion offenbarte, dass die meisten meiner europäischen, vor allem norddeutschen Freunde hier überhaupt keine Ahnung vom Nikolaus und den richtigen Traditionen des 6. Dezembers haben, war es unumgänglich, ihnen dieses Wissen näherzubringen. Um ihnen also diese Feierlichkeiten, abseits des Coca-Cola-Weihnachtsmannes und der 5.Dezember-Stiefel-Stopferei, deutlich zu machen, habe ich den Nikolaus angeschrieben und er ist natürlich auch erschienen.
Nicht am 6. Dezember, weil wir montags arbeiten müssen, sondern am 5. Dezember, dem zweiten Advent.
Jedes "Kind" hatte einen Socken erhalten, in dem Schoki und andere Süßigkeiten versteckt waren - bei der Vorbereitung hatte Zsuzsi, meine Mitstreiterin in Sachen Nikolaus, fleißig mitgeholfen. Da aber jeder auch unartig war, und der Krampuss leider nicht kommen konnte, gab es zur Mahnung auch eine Rute mit Tschad.

Traurigerweise schien der Nikolaus unter massiven Haarverlust zu leiden, denn bereits in den ersten fünf Minuten begann sich sein Bart aufzulösen. Ansonsten war sein Outfit nahezu verblüffend perfekt.


Heute geht es weihnachtlich weiter. Das Goethe-Institut feiert mit seinen Schülern Weihnachtsfeier und eine Lehrerin und ich werden dafür Weihnachtslieder auf Flöte und Gitarre trällern.

Liebe Grüße,
Armin

Dienstag, 30. November 2010

Prozesstag

Nachdem ich heute mein erstes Mal an einem Prozess beteiligt war, nehme ich das als Anlass, meinen letzten Blog-Eintrag für November zu machen. Ah, und nein, nicht weil ich jetzt hinter Gitter muss...

Wie ihr euch vielleicht erinnert, ist mir am Wochenende vom 20./21.11. so einiges geklaut worden. Heute war der Prozesstag für den Kerl, den wir erwischt hatten, wie er einer Freundin in die Hosentasche gelangt hat und der mit ziemlicher Sicherheit auch mit dem Halunken zusammenarbeitet, der mir meine Kamera geklaut hat.

Erfahren habe ich von dem Prozess gestern abend - ich soll um 8.30 am Gerichtshaus sein. War ich auch, mit Sahlu, der sich mal wieder als Riesenhilfe erwiesen hat. Ich glaube, ohne äthiopische Begleitung wär ich allein schon der Sprache wegen komplett verloren gewesen. Wie dem auch sei, wir waren beide als Zeugen geladen und nachdem um 9.30 dann auch mal die Polizei angedackelt ist, konnte es im Grunde losgehen.

Der Gerichtssaal ist im Grunde ein etwas größerer Raum, wie ein Klassenzimmer, vorne sitzt der Richter, zwei Staatsanwälte, gelegentlich laufen einige Polizisten rum. Die Angeklagten, Zeugen, Angehörige sitzen bunt gemischt auf aufgereihten Holzbänken (von denen jede anders aussieht). Nacheinander werden die Fälle abgearbeitet, die Angeklagten werden nach vorne gerufen, Zeugen kommen dazu, werden dabei aufgenommen, und irgendwann verkündet der Richter sein Urteil. Die Stimmung ist trübe und nüchtern, aber nicht so düster und einschüchternd, wie ich es erwartet hatte. Es herrscht allgemein Stille, nervöses Rascheln übertönt die recht leise sprechenden Offiziellen im Raum. Trotz ständiger Ermahnung, die Handys auszuschalten, hats in einer Reihe dann doch geklingelt. Der dazugehörige Mann ist aschfahl geworden, hat aber nur einen Klaps auf den Hinterkopf bekommen.

Gegen 11.30 wurde dann unser Fall behandelt. Zwei andere Fälle habe ich mir übersetzen lassen, die will ich kurz schildern. Ein 18jähriges Mädchen war wegen Falschaussage angeklagt (sie hatte ursprünglich einen Dieb gedeckt), und wurde zu drei Monaten Gefängnishaft angeklagt.
Eine Gruppe von drei Männern wurde zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt, sie hatten 100.000 Birr (ganz grob vielleicht 4,600 Euro) von einem Mann geraubt, der gerade die Bank verlassen hatte.
Meine Zeugenaussage war dann recht kurz - vier, fünf Fragen, dann verkündete der Richter, dass der Angeklagte frei gesprochen wurde, was tatsächlich richtig war, denn um ihn ins Gefängnis zu stecken, dafür war die Beweislast einfach nicht schwer genug - schließlich gibt es nur die Aussage Sahlus.
Wie uns aber ein Polizist später erklärte, wird er weiterhin auf der Polizeistation festgehalten. Tatsächlich hat er nämlich, wohl in kleiner Runde, schon ein paar Dinge ausgequatscht - sie wissen jetzt, wer die Kamera hat und suchen weiter nach ihm. Naja, ich bin ja mal gespannt, ob ich das Ding noch mal wiedersehe.

Achja, die Schwester des Taschendiebs ist danach noch zu Sahlu und mir gekommen und hat sich entschuldigt und bedankt - warum auch immer. Ich glaube, weil ich ausgesagt habe, dass ich ihn nicht gesehen habe und das wohl entscheidend gewesen ist.

Nun, wieder ein Erfahrung mehr. Auch was, auch wenn sich meine gestrige Vermutung bestätigt hat, dass es bei dem Ganzen für mich wenig zu gewinnen gibt.

Soweit von mir, einen schönen Rutsch in den Dezember! :)

Liebe Grüße,
Armin

Montag, 29. November 2010

Advent und alte Leidenschaften

Zunächst mal wünsche ich Euch allen einen schönen Start in den Advent. Wenn ich die Bilder vom verschneiten Österreich sehe, mir dazu Christkindl-Markt vorstelle, Glühwein und Lebkuchen, dann überkommt mich doch zum ersten Mal ein kleines Stück Heimweh. Zum Glück kann ich Weihnachten im Kreis der Familie verbringen...

Weihnachtsmärkte gibt es aber überall auf der Welt, auch in Addis Abeba. Sonntag, also gestern, wurde er von der evang. Gemeinde veranstaltet, und die NGO, die meine Gastgeber gegründet haben, hatte auch einen Stand. Und was haben sie verkauft? SANDWICHES. Dass ich da mitmachen musste, liegt ja auf der Hand. Schließlich bin diesbezüglich Profi. :)

Glühwein habe ich keinen getrunken, obwohl er angeboten wurde. Aber bei kühl-sommerlichen Temperaturen geht der Reiz verloren. (Meine Gedanken schweifen gerade an meine letzte Weihnachtsfeier mit der Arbeit... Münchner Christkindlmarkt... Glühwein.... Blau wie der Enzian).
Lebkuchen habe ich aber gekauft, und Schokoweihnachtsmänner! Und Marzipankartoffeln! Komplett überteuert freilich, aber das Zeug musste ja aus Deutschland erst mal hergebracht werden. Und vielleicht schaffen wir es, hier auch ein wenig Vorweihnachtsstimmung zu schaffen - und da will ich dann doch vorbereitet sein...

Ach ja, seit einer Woche kann ich wieder klimpern. Meine Gastgeber hatten tatsächlich eine Gitarre rumstehen. Ein paar gewechselte Saiten später konnte ich dann endlich wieder etwas spielen, was mir hier doch auch sehr gefehlt hatte. Vielleicht sollte ich nun auch wieder ein Adventslieder in mein Repertoire aufnehmen... :)

Liebe Grüße,
Armin

Montag, 22. November 2010

Bitter!

Leider bin ich dieses Wochenende wieder um eine bittere Erfahrung reicher, auf die ich gerne verzichtet hätte. Denn sowohl am Samstag als auch am Sonntag bin ich beklaut worden. 26 Jahre bin ich ohne ausgekommen, dann gleich zwei Tage hintereinander....

Am Samstag morgen bin ich einer Bande auf dem Leim gegangen, die in einem typischen, öffentlich Minibus gesessen ist. Nachdem ich eingestiegen war, hat mich der Kassierer in tpyische Gespräche verwickelt, wo kommst du her, was machst du hier. Mein Notebook musste ich auf den Schoß nehmen, im Nachhinein verstehe ich warum. Neben mir hat der Komplize (eingeweiht dürfte aber der gesamte Bus sein) sich nämlich an meiner Jacke zu schaffen gemacht, hat diese von unten aufgeschnitten, dann die Naht meiner inneren Brusttasche gelöst und daraus mein I-Phone, meine Geldtasche und meine Handy vor Ort entwendet. Unfassbar, dass ich es nicht gemerkt habe. Die eigene Naivität macht mich unglaublich wütend. Nachts liege im Bett und spiel die Szenen im Kopf immer wieder durch. Zweimal ist meine Hand zur Brusttasche hingegangen, beide mal hat der Kassierer es geschafft, mich abzulenken.
Ich habe es nicht mal geblickt, als er plötzlich meinte, die Route wäre geändert, und ich müsste jetzt aussteigen. Ganz hektisch, ich war komplett überrumpelt. Als ich dann draußen war, ist der Bus losgedüst, und dann hat mein Gehirn wieder angefangen zu arbeiten... leider zu spät.

Man sollte meinen, ich hätte gelernt. Am Sonntag war der Great Ethiopian Run, über den ich eigentlich vorhatte zu schreiben. Ein großer Stadtlauf mit 35.000 Teilnehmern, eine tolle Veranstaltung, fantastische Stimmung - und leider vielen Taschendieben. Während dem gesamten Lauf hatte ich meine Fotokamera in der Hand, das Band um Gelenk geknotet. Und nach dem Zieleinlauf dann wieder die große Dummheit. Für etwa zwei Minuten mach ich die Kamera in die Hosentasche, prompt ist sie weg, ohne dass ich was mitbekommen habe. Gedanken einen Moment woanders, schon sind flinke Finger da und entwenden sie. Gerade die Kamera trifft mich am meisten. Ich habe noch den ganz zarten Hauch einer Hoffnung, dass ich sie wiederbekomme, denn wir haben den Komplizen des Diebes, der meine Kamera mitgenommen hat, erwischt, als er sich an der Hosentasche einer Freundin zu schaffen machte. Sahlu, ein äthiopischer Freund, hat ihn dabei entdeckt und sofort laut geschrieen und ihn angegriffen. Wir haben ihn zur Polizei geschleppt und Anzeige erstattet. Die Polizei hier ist ziemlich grob, der Dieb hat erstmal eine Reihe Schläge kassieren müssen. Ich will gar nicht wissen, was sie hinter den Kulissen machen.
Vielleicht habe ich Glück, und ich bekomme das Gerät zurück. Wirklich daran glauben kann ich derzeit nicht. Solche Erlebnisse ziehen einen runter, aber meine Freunde hier haben mir wirklich Trost gespendet, das macht es leichter. Dennoch, ab und zu fange ich innerlich an zu kochen, mehr wegen meiner eigenen Naivität, aber auch weil ich meine Sachen echt vermisse.
Aber... ich bin gesund, ich habe meinen Pass noch und solange es dabei bleibt, muss ich mich damit einfach abfinden und hoffen, wieder ein Stück weiser zu sein...

Mittwoch, 17. November 2010

Wenn der Berg ruft....


Jetzt nutze ich die kurze Gunst der Stunde, um ein paar Zeilen zu hinterlassen. Es ist nämlich keineswegs so, dass ich hier nicht wüsste, was mit meiner Zeit anzufangen wäre. Tagsüber wird gearbeitet, abends stehen andere Aktivitäten an, so dass kaum Zeit zum Schreiben bleibt.

Die letzten zwei Wochenenden standen ganz im Zeichen der Mogli! Mogli, das ist ein Gipfel des Wuchacha-Berges, nicht allzu weit weg von Addis Abeba, und ragt 3.400 Meter in die Höhe. Mit anderen Worten... war'n Dreitausender, nä?

Öffentlich Reisen ist in Äthiopien, speziell mit mangelnden Sprachkenntnissen, immer eine kleine Herausforderung. Deswegen haben wir es auch das vorige Wochenende nicht hinbekommen, dorthin zu kommen. Das erste mal sind wir in einer falschen Stadt gelandet und haben einen anderen Hügel bestiegen, das zweite Mal sind wir im anliegenden Meta-Beer-Park (eine Brauerei mit Gaststätte und kleinen (!) Attraktionen versackt.

Letztes Wochenende haben wir es dann aber doch geschafft und es war einer der großartigsten Tage überhaupt. Der Ausblick vom Gipfel war überragend und ich werde immer noch melancholisch, wenn ich mir die Bilder ansehe. Nach etwa 4 Stunden hatten wir die Mogli bezwungen, und ich lege Wert auf die Weiblichkeit dieses Gipfels, denn Mogli ist für die umlebenden Farmer auch eine Göttin. Das ist ein interessantes Beispiel dafür, wie sich, gerade in den ländlichen Regionen, Christentum und alter Naturglaube noch immer vermischen. Die Bauern, obwohl Orthodoxe Christen, bringen dem Gipfel Opfergaben, um auf Nummer sicher zu gehen.
Fantastisch waren auch die kleinen Bauernhöfe, die aus Strohhütten bestehen und mit kleinen Palisaden umzäunt sind. Eindrücke wie aus einer anderen Zeit...

Einer der Bauern war so nett, uns beim Abstieg eine Abkürzung in den Bierpark zu zeigen. Dass der Weg für Kletterunerfahrene in Turnschuhen etwas halsbrecherisch ist, hat er uns nicht gesagt. Das größere Problem bereiteten uns allerdings die Guards, die uns dabei entdeckt hatten und zunächst wenig zimperlich, verständnislos und unkooperativ zeigten (O-Ton: "Hätten wir ein Gewehr, würden wir euch jetzt erschießen!").

Das wohlverdiente Bier haben wir dann doch noch bekommen. Und wurden Zeugen dessen, was passiert, wenn Gruppen betrunkener Jugendliche aneinander geraten: Eine Massenschlägerei mit, ich würde schätzen, 30 Beteiligten, die sich gegenseitig mit Fäusten traktierten.

Überhaupt war dieser Tag, so grandios er war, leider auch meine Premiere an wirklich schlechten Erfahrungen mit Äthiopiern. Die Busfahrt zurück nach Addis Abeba verbrachten wir, zwar nicht ausschließlich, aber überwiegend, mit einer Horde Saufnasen. Und deren Verhalten ist unabhängig von Nation und Herkunft - sie pöbeln, sie belästigen, sie beleidigen. Speziell unsere äthiopische Freundin war massiven Schmähungen ausgesetzt. Übrigens nicht ungewöhnlich: Erst wenige Tage vorher hatte mir eine andere Freundin erzählt, dass sie regelmäßig beschimpft wird, wenn sie mit Weißen unterwegs ist. Ich selbst hatte bisher noch keine Erfahrungen dieser Art gemacht, aber vielleicht ist das manchmal die Gnade der mangelnden Sprachkenntnisse. Wie dem auch sei: Idioten und Rassisten gibt es hüben wie drüben. Die riesige Zahl der positiven Erfahrungen mit Äthiopiern lässt solche Momente nichtig und belanglos erscheinen.

Letzte Woche hatte ich meine ersten, richtigen Magenprobleme - vier Tage lang Krämpfe, dann wars aber auch wieder gut. Semsema-gestählte Därme eben...

Mehr zu schaffen macht mir mein Knie. Meine Einsatzbereitschaft beim gestrigen Volleyball hat ihren Preis, einmal blöd auf dem Knie landen, schon tuts weh. Tja, man ist halt keine 25 mehr... heute werde ich auf, natürlich höchstbeeindruckende, Rettungsaktionen verzichten. Schließlich muss mein Knie bis spätestestens Sonntag wieder voll intakt sein. Dann ist nämlich der "Great Ethiopian Run", ein Stadtlauf in Addis und vielleicht das Event des Jahres hier. Auf einer Strecke von 10 km läuft jeder, der ein Ticket bekommen konnte durch die Stadt. Die Läuferschaft ist gespalten - manch einer versucht, gute Zeiten zu erzielen, andere nutzen das ganze mehr als Spaßveranstaltung. Für diese ist es üblich, zwischendurch einen Kaffee zu trinken, sich zu sonnen und die Strecke eher zu spazieren. Ich bin noch unschlüssig - Würd den Lauf ja gerne gewinnen, aber meine Chancen stehen etwas ungünstig (liegt allein der ungewohnten Höhenluft). Es könnte daher auf Kaffeesonnenspaziergang hinauslaufen.

Soweit von mir! Ich hoffe, Euch geht es gut!!!

Liebe Grüße,
Armin


Mittwoch, 3. November 2010

Ein paar Eindrücke

18:30, vor einer halben Stunde bin ich von der Arbeit heimgekommen. Ich wasche mein Geschirr vom Vorabend ab und überlege dabei, ob ich heute Abend kochen soll. Mein Blick wandert zu dem kleinen Gaskocher, zu den China-Nudelsuppen im Schrank und dann zum frisch abgespülten Topf, und ich entscheide mich, zu Lucy essen zu gehen.

Lucy ist ein Restaurant, direkt neben dem Nationalmuseum, benannt nach dem bekannten Fossil, und liegt nur einen kurzen Gehweg von vielleicht fünf Minuten von meinem Zuhause entfernt. Als Stammlokal würde ich es nicht bezeichnen, aber ich gehe dort gerne essen. Gerade traditionelle Gerichte wie Shiro bereiten sie gut zu und es ist nicht teuer. Manchen ist das Restaurant zu touristisch, aber ich mag die entspannte Atmosphäre im Garten dort, auch wenn ich das ständige Abtasten am Eingang nicht leiden mag.

Ich ziehe mir einen Kapuzenpulli über das T-Shirt, darüber noch mal eine Lederjacke, denn es dämmert bereits, und wenn die Sonne erst mal weg ist, kühlt es in Addis Abeba erstaunlich schnell ab. Es ist zudem recht windig, und ein Schnupfen gehört für die meisten Ausländer zum guten Ton. Meine Mandelentzündung ist zum Glück Vergangenheit, und das soll so bleiben. Trotzdem lasse ich den Schal daheim, immerhin gehen die Temperaturen jetzt allmählich hoch. November und Dezember sollen deutlich wärmer werden als der Oktober, erklärte mir eine einheimische Kollegin.

Ich verlasse unser Haus durch das massive Tor. Wie die meisten der Einfamilienhäuser hier ist auch unseres mit hohen Mauern umgeben, auf denen gefährlich blinkender Stacheldraht noch mal einen halben Meter in die Höhe ausgerollt ist.

Ich gehe den steinigen Weg, der vom Haus zu den nächsten Straßen führt, weiter. Eine Gruppe junger Männer steht scherzend am Rand. Einen davon kenne ich, aber ich habe seinen Namen vergessen. Es sind ständig neue Namen, die wenigsten habe ich davor schon mal gehört. Ich weiß, dass er Grundschullehrer ist.

Wir begrüßen uns äthiopisch, und ich freue mich jedes Mal auf diesen Gruß. Ich versuche, ihn so oft wie möglich anzuwenden. Man reicht sich die rechte Hand, dann beugt man sich vor und drückt sanft die rechte Schultern zusammen. Wenn man ganz lustig ist, kann man auch mal mit der linken Hand dem Gegenüber auf den Rücken klopfen. Ich mag diesen Gruß einfach, tatsächlich überlege ich seit einer Weile, wie ich ihn bei meinem Freunden in Deutschland subtil einführen kann.

Es folgen die üblichen Floskeln.

„Salamnu?“

„Salamnu!“

„Denha?“

„Denha!“

„Salamnu!“

„Salamnu!“
„Hulu Salam?“

„Hulu Salam!“

Ich habe mal gehört, dass Frauen 5000 Wörter mehr als Männer pro Tag benötigen. Das gleiche gilt, wie es mir scheint, auch für Äthiopier, und das allein wegen den ausgiebigen Begrüßungen. Ansonsten schätze ich das ruhige, nicht zu quasselige Temperament der Leute hier.

Nach etwa hundert Metern endet der Weg und ich komme auf eine Straße. Morgens, auf dem Weg zum Goethe Institut, biege ich nach rechts ab, von dort gelange ich auf eine große Straße namens Russia Street. Straßennamen sind hier allerdings Schall und Rauch.

Ich will nicht zur Arbeit, deswegen biege ich nach links ab.

Die Straße, die ich jetzt entlang gehe, ist keine von den großzügigen Boulevards, die sich durch Addis ziehen, sondern wirkt eher wie eine etwas breitere Gasse. Zwei Autos könnten problemlos nebeneinander fahren, wären da nicht die ganzen Menschen. Zwar gibt es Bürgersteige, aber auf diesen zu gehen ist unangenehm. Ich weiß gar nicht, wie ich sie beschreiben soll, es ist kein Schotter, aber auch nicht gepflastert, betoniert, aber mehr wie ein Hindernisparcour gestaltet. Spitze Steine und scharfe Kanten ragen raus, nicht vereinzelt, sondern als Grundprinzip des Gehsteigs - und Schuhe leiden darunter. Zum Glück sind die Schuhmacher hier günstig, ich lasse meine Treter neu besohlen, für umgerechnet zwei Euro.

Mittlerweile ist es beinahe dunkel, links von mir brennt ein Lagerfeuer vor einem PKW mit offener Motorhaube. Ein Mann hält etwas in das Feuer, ich glaube eine Zündkerze.

Ein paar Meter weiter stehen bereits die ersten Geschäfte, sie sind hell erleuchtet. Es sind kleine Hütten, manche davon nur vier Quadratmeter groß. Sie sind aus Wellblech zusammengeschustert, wenige davon bestehen tatsächlich aus Stein und Ziegeln. Dahinter findet sich alles mögliche, die Gasse, so unscheinbar sie zunächst scheint, ist sehr belebt. Mehrere Metzgereien befinden sich darin, kleine Stände, in denen ein einzelner, mit Messern bewaffneter Mann hinter der Theke steht. In der Regel hängt eine enthäutete, tote Ziege hinter den Fleischern. Sie schneiden Fleischstücke auf Wunsch raus. Ein Fleischwolf steht daneben, aus vielmehr scheint das Geschäft nicht zu bestehen. Andere Stände verkaufen Backwaren, welche sie in der Früh geliefert bekommen. Sehr beliebt hier ist das Bonbolino, eine Art Donut, aber nicht glasiert, sondern einfach nur unglaublich fettiger und frittierter Teig.

In einer halboffenen Hütte stehen zwei Fernseher. An jeden ist eine Spielekonsole angeschlossen, sonst ist gerade noch Platz für die Stühle davor. Gleich daneben ist ein Copyshop, bestehend aus einem Computer, Kopierer, Faxgerät und kaufbaren Büromaterial. Vielleicht acht Quadratmeter groß, wobei der Kopierer etwas auf die Straße hinausragt. Auf der anderen Seite liegt eine Kneipe, aus der tönt ein äthiopischer, sehr eingängiger Superhit, den ich in letzter Zeit öfter gehört habe. Gehe ich ein paar Meter weiter, an den mit einem platten Fußball spielenden Kindern vorbei, passiere ich einen kleinen CD-Laden, aus dem Haddaways „What is love?“ schallt. Daneben steht ein Optiker, dann kommt ein Barbiergeschäft, das aus Stuhl, Spiegel, unangenehmen weißen Licht und Barbier besteht, dann eine Hütte, die Tourismus-Artikel anbietet. Nachts werden diese Hütten mit Balken verschlossen oder Blechtore werden runter gezogen und im Boden verankert.

Dazwischen drinnen befinden sich immer wieder etwas größere Obstläden. Im Angebot befinden sich derzeit fast ausschließlich Bananen, Ananas, Papayas und Avocados, außerdem Zwiebeln und Tomaten. In der Regel führen die Geschäfte außerdem Getränke und ein paar andere Lebensmittel wie Thunfisch in der Dose oder Kekse.

Mir kommt es vor, als schlendern die meisten Leute eher durch die Gasse. Ich habe Hunger, deswegen ziehe ich eilig an den meisten vorbei. Ich habe allgemein das Gefühl, dass ich um einiges schneller gehe, als es hier üblich ist. Es wird viel gelacht, ein Junge spielt, indem er ein Rad mit einem Stock vor sich her treibt. Ein Blinder wird von einem anderen Passanten nach hinten gezogen, als ein Auto, ein alter VW Käfer, viel zu schnell durch die Gasse rauscht. Einige Meter weiter muss die Karre komplett anhalten, weil eine Herde Ziegen einen Teil der Straße blockiert. Eine einzelne Ziege wird von zwei mir entgegenkommenden Männern vermutlich zu einem Schlachter gebracht. Jeder von ihnen hält eines der Vorderbeine fest, so dass die Ziege sich wehrend und strampelnd beinahe aufrecht zwischen beiden marschieren muss. Passanten treffen sich beiläufig auf der Straße, Männer und Frauen, sie geben sich die Hände, drücken die Schultern aneinander. „Salamnu?“- „Salamnu!“

Vor den Geschäften und Kneipen sitzen junge Männer, ganz wenige rauchen. Rauchen ist hier sehr unüblich und unfein, vor allem in der Öffentlichkeit. Einer ruft mir hinterher: „Hey, you, hey, Ferengi!“ Ich reagiere nicht mehr darauf. Es stört mich nicht, angesprochen zu werden, viele grüßen mich sehr freundlich, aber dieses Hinterhergerufe, gerade so lange hinausgezögert, bis ich den Rücken zugekehrt habe, geht mir auf den Keks.

Einige Kinder laufen johlend an mir vorbei, eines davon bleibt bei meinem Anblick abrupt stehen, setzt ein trauriges Gesicht auf und hält wie im Reflex die rechte Hand auf. „One Birr! Money, Money!“ Das Kind ist kein Bettelkind, es folgt nur dem Gedanken, demnach alle Ferengis aus Geldscheinen bestehen und man nur daran ziehen muss, um etwas zu bekommen. Es ist eine Selbstverständlichkeit dabei, vielleicht auch etwas Lausbubenhaftes, das weiß ich nicht. Ich lächle es an, sage „Yelem“, es gibt nichts, und gehe weiter. Es ist nicht ungewöhnlich, dass auch Kinder, deren Eltern einer ganz normalen Arbeit nachgehen, nach Geld fragen. Tatsächliche Straßenkinder lassen sich nicht so leicht abschütteln, hängen sich auch an die Jacke. In bestimmten Gegenden laufen sie einem zehn Minuten hinterher.

Die Gasse mündet in eine große Straße, dicht befahren, denn sie liegt genau zwischen zwei Bushaltestellen, dem Arat Kilo und dem Siddist Kilo. Das Bild ändert sich schlagartig, die Gebäude sind zwar nicht hoch, aber manche davon doch dreistöckig. Büros, Banken, Supermärkte, Restaurants und Cafés finden darin. Zu dem Lärm der Menschen fügen sich die Motorengeräusche, aus den Minibussen schreien junge Männer die nächste Station. Die Gehsteige sind hier etwas ebener, reihenweise Bettler und Obdachlose schlafen darauf. Zwischen drinnen sitzt eine Frau, auf einer Decke hat sie verschiedene Kleinigkeiten zum Verkauf im Angebot, Haarreifen, Kaugummis, Unterhosen. Ein Junge läuft mit einem Bauchkasten herum, will mir Zigaretten verkaufen, ein anderer möchte mir eine SIM-Karte andrehen.

Auf der anderen Seite ist eine große, orthodoxe Kirche, ich höre eine Stimme aus Lautsprechern predigen. Einige Äthiopier bekreuzigen sich beim Vorbeigehen, auch viele Autofahrer machen dies, sobald sie eine Kirche passieren.

Ich gehe rechts die Straße hoch, Richtung Nationalmuseum. Ein junger Mann steht am Straßenrand neben einer Waage, für ein paar Birr kann man sich dort wiegen. Um auf sich aufmerksam zu machen, hat er eine kleine Sirene danebengelegt, die wahrscheinlich von einem Spielzeug stammt. Das ist übrigens ein typischer Anblick, die Waage an der Straße, und daneben irgendein Gerät, das ordentlich Lärm macht, eine Fahrradklingel, eine Tröte, ein dauerklingelnder Wecker.

Direkt neben dem Museum ist das Restaurant, während ich darauf zusteuere, steht der Wächter auf. Ich strecke die Arme aus, er lacht freundlich und weist auf den Eingang. Heute keine Durchsuchung…

Liebe Grüße,
Armin

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Born on the 19th of July


Ein kurzer Zwischenruf in eigener Sache!

Ich möchte euch meine lieben Mitbewohner vorstellen:

Links seht ihr Crispy, unseren Wachhund, der , wenn er mich nicht gerade liebestoll anspringt oder sich vor mir auf den Rücken schmeißt, einen guten Job macht. Nachts höre ich ihn manchmal jaulen, dann vertreibt er mit den anderen Hunden in der Nachbarschaft die Hyänen, die sich in die Stadt schleichen.



Meine beiden anderen (leider mittlerweile Ex-) Mitbewohner sind Charly und Blacky. Wer jetzt welcher ist, dürft ihr selber rausfinden. :)
Blacky ist ziemlich schüchtern und braucht eine Weile, bis er sich einem anvertraut. Charly hingegen ist mir schon am ersten Tag ins Zimmer gefolgt und hat sich demonstrativ in die Tür gestellt, dass ich diese nicht mehr schließen konnte.
Leider sind die beiden, die übrigens Crispys Nachwuchs sind, nicht mehr bei mir, sondern bei ihrer Mutter im Projekt meiner Gastgeber, wo sie auch zu Wachhunden reifen sollen, ganz wie der Papa halt. Ich werde aber demnächst das Projekt besuchen, dann sehe ich sie wieder.
Achja, und sie sind am 19. Juli geboren. Keine Ahnung, woran es liegt, dass ausgerechnet zu diesem Datum immer nur so schnuckelige Lebewesen auf die Erde plumpsen.

Ich hab noch eine Mitbewohnerin. Sie heißt Lucy, und ich mag sie nicht. Ist eine Katze, und dementsprechend nervig, weinerlich und uninteressant. Wenn ich mein Fenster offen lasse, klettert dieses Mistvieh in mein Zimmer und reibt ihr Fell in meine Pullover. Ich werde mir bei Gelegenheit eine passende Gegenoffensive überlegen.

Liebe Grüße,
Armin

Dienstag, 26. Oktober 2010

Revolution, Roter Terror und die Stasi…

Am Sonntag stand mal wieder ein Museumsbesuch an, und zwar erst Anfang diesen Jahres eröffnete Red Terror Martyr’s Memorial. Es gedenkt der Opfer des sogenannten „Roten Terrors“, als das sozialistische DERG-Regime den Kaiser absetzte und die Macht in Äthiopien ergriff.

Ja, richtig, es ist mal wieder Zeit für einen History-Beitrag... ;)

Heute widmen wir uns einem der dunkelsten Kapitel der Äthiopischen Geschichte. Beginnen wir mit der Ausgangslage:

Anfang der 70er Jahre gerät das Kaiserreich in eine schwere Krise. Kaiser Haile Selassie ist zur Untätigkeit vergreist, die Gesellschaft ist durchzogen von Korruption und Repression. Die Bauern leiden unter hohen Abgaben an die Großgrundbesitzer. Das Bürgertum strebt auf und sieht sich durch den Adel eingeschränkt. Die Dürrekatastrophe 1973 sowie die Ölkrise führen zur Inflation, diese haben Streiks und Demonstrationen zur Folge.

An der Addis Abeba-University (damals Haile-Selassie-University) wächst der Einfluss des sozialistischen Gedankenguts, einerseits bedingt durch Westen und Osten, aber auch durch den Einfluss anderer afrikanischer Staaten, deren politische Entwicklung bereits weiter fortgeschritten ist. Die Studentenbewegungen gelten als Hauptinitiator der Proteste, als im Laufe des Jahres 1974 Teile der Armee sich anschließen, ist das Ende der Monarchie absehbar.

Im Juni 1974 gründet sich der Derg (zu deutsch: Komitee), das „Koordinationskomitee der Streitkräfte, Polizei und Territorialarmee“. Ziel des Derg ist es, die Korruption im Militär und die Unruhen der Soldaten zu unterbinden. Vorsitzender des Derg wurde der Major Mengistu Haile Mariam, dessen Macht in den nächsten Monaten so rapide zunahm, dass er bald nicht nur etliche Minister und Gouverneure inhaftieren konnte, sondern auch einstige, nun unbequeme Weggefährten nicht verschonen musste.

Am 12. September 74 wird Kaiser Haile Selassie in einem blutigen Putsch gestürzt, der Derg übernimm drei Tage später als Provisorischer Militärischer Verwaltungsrat die Kontrolle. Die Protestbewegungen spalten sich, aber die gemäßigten Kräfte unter den Studenten und Militärs können sich nicht durchsetzen. Die Revolution frisst ihre Kinder – Werden zunächst nur Mitglieder der Kaiserfamilie und andere Adelige verfolgt, wird im gleichen Jahr der angesehene General Andom erschossen, mit ihm eine der populärsten Personen des Landes und ein Hoffnungsträger für die Integration des Vielvölkerstaates.

1975 wird die Monarchie offiziell abgeschafft, der Marxismus-Leninismus als Staatsideologie deklariert. Mengistu Haile Mariam propagiert die klassenlose Gesellschaft. Er wird für die Verstaatlichung sämtlicher Industrien und Länder sorgen, lässt Bauern durch eine Landreform umsiedeln und enteignet Unternehmer und Industrielle. Es dauert nicht lange, bis Oppositionelle gleichgeschaltet oder umgebracht werden. Allein bis 1977 lässt der Derg Zehntausende verhaften, foltern oder exekutieren. Die Pressezensur wird strenger, als sie unter Haile Selassie je gewesen ist. Der „Rote Terror“ ist ins Rollen gekommen. Insgesamt, so wird heute geschätzt, werden ca. eine halbe Million Äthiopier dem Faschismus zum Opfer fallen, darunter vor allem Studenten und Jugendliche, aber auch Kinder. Damit sind alleine die politisch Verfolgten gemeint, nicht die Todesopfer, welche die Misswirtschaft der Sozialisten forderte.

Die Eingriffe Mengistus in Landwirtschaft, Handel und Produktion brachten die Wirtschaft Äthiopiens bald zum Erliegen. In den 80er Jahren konnte das Land die Dürreperioden nicht mehr kompensieren, es kam zur großen Hungersnot 1984, für die Regierung eine nicht lösbare Katastrophe, zumal Gelder, auch die Entwicklungshilfen nach dem wellenschlagenden BBC-Report, weiterhin munter in den Ausbau des Militärs flossen.

Um einen kurzen Eindruck zu vermitteln, unter welchen Bedingungen die Äthiopier unter dem Derg lebten, möchte ich ein paar Zitate nennen:

Militärstreifen […] und rekrutierte Hilfswillige trieben jugendliche „Staatfeinde“ mit MG-Garben durch die Straßen. Sie konzentrierten die Treibjagd auf die 12- bis 25jährigen, denn den stärksten Rückhalt hat die EPRP bei Schülern und Studenten.

Die zerschossenen Leichen wurden von dem Kommandos zur Abschreckung oft stundenlang liegen gelassen. Hinter der deutschen Schule schmorten einen ganzen Tag lang 16 tote Schulkinder in der Sonne. An der Ambo Road, 20 km westlich von Addis, warfen Kebele-Killer 18 ermordete Schüler in die Abfallgrube einer Fleischfabrik. Eltern, die tags darauf in Tierskeletten und verwesenden Innereien nach Leichen stocherten, wurden mit vorgehaltener Waffe verscheucht. Dörfler mußten zusehen, wie ihre Kinder von streunenden Hunden und Hyänen zerfressen wurden.

[…]

Die meisten Toten gibt es stets am Wochenende, wenn in den Kebele der Kodikalla fließt, hochprozentiger Maisschnaps. aus dem gefährliche Fuselöle nur unzulänglich herausdestilliert sind. Oft reicht ein anonymer Tip an den Kebele-Vorsitzenden, um einen ungeliebten Nachbarn verschwinden zu lassen.

SPIEGEL, 24/1978

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40887619.html

Längst ist Äthiopien ein Überwachungsstaat der übelsten Sorte geworden. Unter Mithilfe der Sowjetunion, Kubas und der DDR werden Folter- und Überwachungsmethoden ausgefeilt. Die DDR hat mehrere hundert Experten im Land, Honecker und Mengistu schließen eine Reihe von Kooperationsverträgen ab, Stasi-Mitarbeiter unterrichten die äthiopische Miliz innerhalb einer sogenannten Spezialuntersuchungsabteilung. Lieferungen von „Material für Sonderaufgaben“ (Schlagstöcke, Handschellen etc.) werden aus Ostberlin nach Addis Abeba geliefert.

Die Führer im oben genannten Museum sind übrigens meistens Opfer des Terrors gewesen, haben viele der Foltermethoden am eigenen Leib erlebt. Ich möchte nicht schreiben, was sie erzählt haben, aber vielleicht so viel dazu anmerken, dass es dabei kein Tabus gegeben hat.

Ein weiteres Zitat stammt von dem polnischen Journalisten Ryszard Kapuscinski:

Um die Situation in den Griff zu bekommen und die Opposition zu entwaffnen, ordneten die Behörden eine allgemeine Fetascha an. Wir werden pausenlos durchsucht. An der Straße, im Auto, vor dem Haus, vor dem Geschäft, vor dem Postamt, vor der Eingang zum Büro, zur Redaktion, zur Kirche, zum Kino. Vor der Bank, vor dem Restaurant, am Marktplatz, im Park. Jeder kann uns durchsuchen, denn niemand weiß, wer dazu das Recht hat und wer nicht; es ist besser, man stellt keine Fragen, das würde alles nur schlimmer machen, am besten, man gibt nach. Ständig durchsucht uns jemand: Irgendwelche zerlumpte Kerle, Stöcke in Händen, stellen sich uns wortlos in den Weg und breiten die Arme aus, das bedeutet, dass auch wir die Arme ausbreiten sollen - und uns zur Durchsuchung bereitmachen; nun holen sie alles aus unseren Aktenmappen und Taschen, inspizieren es, runzeln die Stirn, wackeln mit dem Kopf, beraten sich untereinander, dann tasten sie über unseren Rücke, den Bauch, die Beine, die Schuhe, und dann? Dann ist nichts - wir dürfen weitergehen, bis zum nächsten Ausbreiten der Arme, zur nächsten Fetascha. Nur, dass die nächste vielleicht schon ein paar Schritte weiter ist, und dann fängt alles wieder von vorne an. [...] Wir müssen uns jedes Mal von neuem, alle paar Meter, alle paar Minuten, wieder und wieder entlasten, rechtfertigen, Absolution erhalten. [...] Aber am häufigsten sind die Amateurfetaschas, an die man sich bald gewöhnt. Viele machen auf eigene Faust eine Fetascha, einsame Fetaschisten, außerhalb des Plans der organisierten Fetascha. Wir gehen die Straße entlang, und plötzlich hält uns ein Unbekannter auf und breitet die Arme aus. [...]
(König der Könige)

1987 beendete Mengistu Haile Mariam die Herrschaft des Derg offiziell, eine neue Verfassung eingeführt. Das Land wurde zur Volksrepublik mit einem Einparteiensystem unter der Herrschaft der Arbeiterpartei Äthiopiens. Bei den Wahlen wurde Mengistu, mittlerweile vom Volk als „Schlächter von Addis“ bezeichnet, mit 85 % zum Präsidenten gewählt.

Im Laufe der Jahre hatten sich allerdings starke Widerstände gegen den Derg organisiert, etwa die sezessionistische Volksbefreiungsfront von Tigray (einer Provinz im Norden) unter der Führung des heutigen Premiers Zenawi, die Eritreische Volksbefreiungsfront, aber auch innere linke, monarchistische oder demokratische Gruppierungen.

Nachdem die Koalition der Rebellengruppen bis 1990 große Teile des Landes unter ihre Gewalt gebracht hatte, gab Mengistu bekannt, das Land offener zu gestalten. Die Rebellen zeigten sich jedoch unbeeindruckt und führten den Kampf weiter fort. 1991 marschierten sie auf Addis Abeba und beendeten Mengistus Regierung. Der Diktator konnte nach Simbabwe fliehen, wo ihm Robert Mugabe bis heute Asyl gewährt. Die äthiopische Regierung verlangt seit Jahren vergeblich nach dem in seiner Heimat zum Tode verurteilten Mengistu, der bis heute Michael Gorbatschow für den Niedergang des sozialistischen Äthiopiens verantwortlich macht – mit dem Zusammenbruch der UdSSR blieb die benötigte Unterstützung aus. Besondere Bewunderung erfahren dafür zwei andere Menschenfreunde.

SPIEGEL (1995): Welche Staatsmänner schätzten Sie am meisten?

Mengistu: Kim Il Sung und Castro. Nordkorea ist ein wunderbares Land, und Kim war ganz anders, als ihr Westler ihn euch vorgestellt habt: Er war geistreich, rauchte, trank, erzählte Witze. Er hat mir ein Elektrizitätswerk und Werften geschenkt und für die Entsendung seiner Militärberater nichts verlangt.

Den Roten Terror verteidigte Mengistu gegenüber „The Star“ (Südafrika, 1999) so:

"We had to organise people into urban defence units and rural defence committees and peasants' associations to defend the country,"

"The so-called genocide was this war in defence of the revolution".


Liebe Grüße,

Armin

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Ständig werde ich gefragt....

Ständig werde ich gefragt, "Armin, was machst du eigentlich da unten?" :)

Also, aktuell bin ich Praktikant in der Sprachabteilung des Goethe Instituts Addis Abeba.

Das heißt, ich sitze in einem Büro und erledige Alltagsdinge und löse Alltagsprobleme. Zum Beispiel kümmere ich mich um Sprachschüler, die irgendwelche Informationen brauchen, Zertifikate oder sich zu Kursen anmelden wollen. Ich versorge Interessenten mit Informationen zu unseren Kursen und bearbeite andere Anfragen zum Spracherwerb.
Ich unterstütze meine Kollegen bei Organisatorischem, wie dem Entwurf neuer Flyer, Bestellung vom Lehr- wie Werbematerialien und der Kommunikation mit anderen Instituten, Behörden usw.
Dazu kommt die Zusammenarbeit mit den Lehrern, Beschaffung von Material für sie, Organisation von Technik und Besprechung von Verbesserungen.

In dieser Woche, wo ich alleine bin, habe ich außerdem den Verkauf von Lehr- und Wörterbüchern übernommen. So langsam blicke ich sogar bei der vermaledeiten Vertriebs-Software durch, die ich dazu verwende. Ich hab ja schon mit einigen solchen Produkten gearbeitet, so wenig intuitiv verständlich war mir davon keine.

Als mein kleines, eigenes Projekt habe ich außerdem begonnen, die Lehrer- und Lehrbibliothek zu katalogisieren. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich unglaublich ordnungswütend bin. D.h., wenn sonst nichts los ist, schnappe ich mir wieder einen Stapel Bücher, und trage diese in eine Excel-Tabelle mit den entsprechenden Daten ein. Wenn das fertig ist, überlege ich mir ein geeignetes System zur Kategorisierung, dann werde ich die Bücher etikettieren und mir schließlich dazu ein Prinzip ausdenken, wie man am wenigsten umständlich Bücher an Lehrer verleiht und diese auch bald wiederbekommt... ;)

Im November werde ich wohl auch mal im Unterricht hospitieren, wobei ich selber keinen Unterricht geben kann, dafür fehlt mir sowohl der didaktische wie auch der fachliche Hintergrund, und zuletzt natürlich auch das entsprechende Zertifikat.

Außerdem werde ich, wenn die Sprachabteilung wieder voll besetzt ist, in die Programmabteilung wechseln. Ich finde das gut, so bekomm ich von beiden Bereichen was mit.

Achja, bevor ich es vergess': Ein Satz in diesem Beitrag ist schamlos erstunken und erlogen.

Liebe Grüße,
Armin

Montag, 18. Oktober 2010

Debre Libanos

















Ein wundervolles Wochenende liegt hinter mir. Ach was, wundervoll. Atemberaubend! Fantastisch! Gewaltig! Incroyable!
Unser kleines Grüppchen, bestehend aus meinen beiden Mitpraktikantinnen Luisa und Katrin, einem französischen Pärchen (? Wir waren uns nicht sicher), Natalie, einer hierlebenden Fotografin und selbstverfreilich meiner Person, haben uns am Samstag in aller Frühe nach Debre Libanos begeben und die Nacht von Samstag auf Sonntag dort verbracht.
Debre Libanos ist ein Kloster, das unglaublich unspektakulär ist und deswegen gibt’s auch keine Fotos von mir. Deswegen, und weil die geschäftstüchtigen Türsteher keine Fotos auf dem heiligen Gelände erlauben, zumindest solange man nicht den Beutel zückt.
Eine genauso unspektakuläre Kirche gabs zudem, aber für den Eintritt waren wir auch zu geizig, obwohl wir die beiden ersten Bedingungen (keine menstruierenden Frauen und keine Personen, die in den letzten 48 Stunden Geschlechtsverkehr hatten) wohl erfüllt hätten.
Nichtsdestotrotz gibt’s was darüber erzählen, einfach deswegen, weils witzig ist. Gegründet wurde Debre Libanos nämlich von Teklu Haimanot, einem der beliebtesten Heiligen des Landes. Sein erstes Wunder konnte Teklu schon vor seiner Geburt wirken, als er den Erzengel Michael beschwor, einen räuberischen Heidenkönig zu bezwingen. In seiner Kindheit und Jugend bewirkte Teklu eine Reihe bemerkenswerter Wunder, als Zehnjähriger hatte er bereits Wasser in Wein verwandelt und als Erwachsener hatte er schließlich JEDES Wunder, dass im Alten wie im Neuen Testament beschrieben wird, ebenfalls gewirkt. Nachdem er das Alles gemacht hatte, wusste er auch nicht mehr, wie es jetzt weitergehen sollte. Also suchte er sich eine Höhle, schlug ein paar Nägel in die Wand, stach sich daran fest, so dass er immer stehen konnte, und begann zu beten. Nach ein paar Jahren ist ihm dann ein Bein abgefallen, aber das hat ihn nicht gestört und er ist bis zu seinem Tode im Alter von 99 Jahren auf einem Bein gestanden und hat weiterhin gebetet.
Soviel zu Debre Libanos, denn das Besondere an dem Ausflug war schließlich die Umgebung. Nachdem wir bis zum Kloster mit einem Bus gefahren wurden, bin ich mit Martin, dem Franzosen, die 4 km zu unserer Lodge hochgewandert, die anderen sind mit einem Taxi gefahren. Die Wanderung hat sich gelohnt, nicht nur haben wir die ersten fantastischen Ausblicke auf das Tal bekommen, sondern auch eine Vielzahl freilebender Baboons gesehen.
Von der Lodge aus hatten wir einen grandiosen Ausblick auf das Tal. Es hat schon was, wenn man mit Talblick frühstücken kann. Von der Lodge aus war es nur ein kleiner Fußmarsch zur Portugiesischen Brücke, die über eine Wasserquelle/Wasserfall führt und aus Eierschalen gebaut wurde. Ob sie tatsächlich von Portugiesen gebaut wurde, ist umstritten. Mir hat man erzählt, Cristóvão da Gama, Vasco da Gamas Sohn, hat sie bauen lassen, nachdem er den Äthiopiern militärisch zur Seite stand, als das Sultanat Adal eine islamische Expansion plante.
Nachdem man die Brücke passiert hat, kann man noch eine Weile an der Schlucht entlang marschieren. Mit den beiden Franzosen habe ich das getan und mir dabei einige der schönsten Eindrücke der Gegend wie auch einen fantastischen Sonnenbrand geholt.
Einige wenige Bilder habe stelle ich hier rein.
Mehr Bilder gibt es übrigens hier!

Liebe Grüße
Armin

Freitag, 15. Oktober 2010

Night fever, night feveeeeeeeeheheher...

Ich verbringe gerne Abende daheim. Ich lese. Ich schaue mir gerne auch mal eine Serie an. Ich schreibe sogar, dann lese ich das Geschriebene und dann lösche ich es wieder. Angeblich bin ich ein Stubenhocker, wenn ich nur unter der Woche nicht ausgehe. Sagen zumindest meine Mitpraktikantinnen. Sinngemäß.

Deswegen war ich diese Woche gleich zweimal unterwegs. Und man mag Addis Abeba nicht für eine Weltstadt halten, aber das Nachtleben hier taugt mir.

Zumindest die beiden Clubs, die ich besucht habe, sind absolut nach meinem Geschmack. Ob hier in Addis tatsächlich eine ausgeprägte Live-Musik-Kultur herrscht, vermag ich noch nicht zu sagen, aber ich konnte an beiden Abenden zwei Bands sehen, die mir sehr gut gefallen haben. Die eine davon spielt Äthiopischen Jazz, die anderen waren eine Cover-Band, die alle möglichen Charthits (von Michael Jackson, Rihanna, Beyonce usw) als Reggae-Versionen gespielt haben, aber das richtig gut und musikalisch auf hohem Level.
Wenn die Clubs nicht so weit weg von meinem Wohnort wären, würde ich da auch öfters hinfahren, aber die Taxifahrerei ist mir auf Dauer zu teuer.

Praktischerweise lernt man in diesen Clubs auch die ganzen Praktikanten der anderen Institute und Organisationen kennen, so dass es heute Abend doch gleich mal auf ne WG-Party geht. Ja, hier gibt es auch WG-Parties... kleine Welt...

Soviel von meiner Seite!
Morgen gehts nach Debre Libanos, ein Kloster mit Absteige nebendran, etwa anderthalb Stunden von hier weg. Wir, eine bisher noch nicht genauer definierte Gruppe von 4 - 9.999.999 Personen, werden dort das Wochenende verbringen. Morgen gehts in aller Frühe mit dem Abenteuer-Minibus los, und ich freue mich darauf, weil die Gegend um Debre Libanos sehr ansprechend sein soll und ich endlich mal ein wenig äthiopische Landschaft mitbekommen will.

Liebe Grüße,
Armin

Ps. Meine Mandelentzündung habe ich ohne Apotheker und Do-it-yourself-OP ausgesessen. Die Mandeln kratzen zwar noch, aber es wird besser. Heute ist mein erster Tag ohne Schal, was bei 27 Grad durchaus angenehm ist.

Montag, 11. Oktober 2010

Ferengis, Stromausfälle und entzündete Mandeln

Heute mal nur ein paar kurze Absätze über die Erkenntnisse und Belanglosigkeiten der letzten Tage.

Ich bin ein Ferengi. Ein Ferengi? Moment mal, werden die einen denken, Armin, du bist doch kein Ferengi. Du bist ein Mensch, wenn überhaupt, ein Mensch aus den Vereinigten Föderationen der Planeten . Und genau genommen bist du nicht mal das, denn die Vereinigten Föderationen der Planeten gibt es erst im Jahr 2161 und auch nur im StarTrek Universum.

Der Clou ist die Aussprache. Der Ferengi wird hier „Ferendschi“ ausgesprochen und bezeichnet einen weißen Ausländer. Der Begriff ist, soweit ich das bisher verstanden habe, neutral. Auf der Straße rufen mich manchmal Leute so, und gestern hat das sogar ein maximal dreijähriges Kind lachend getan. Ist mir definitiv lieber, als ein StarTrek-Ferengi zu sein...

Stromausfälle sind hier an der Tagesordnung, wobei es für mich aushaltbar ist. Im Goethe-Institut haben wir einen eigenen Generator, der unter penetranten Sirenengeheul anspringt, wenn die Versorgung zusammenbricht. Wenn der Strom ausfällt, dann gerne richtig. In der Regel ist dann ein ganzer Stadtteil betroffen. Kürzlich bin ich in der Dunkelheit nach Hause. Er war nicht spät, aber dadurch, dass hier keine Zeitumstellung gibt, wird es hier leider schon sehr früh dunkel. Der Heimweg war durchaus spannend, denn er führt durch kleine Gassen, in denen absolute Dunkelheit herrschte. Ich habe es ausprobiert, die eigene Hand habe ich schemenhaft erkannt, nachdem sie etwa 10 cm vor meiner Nase war. Da die Gassen und Wege oft nicht gepflastert sind, sondern im Gegenteil aus einer Reihe von spitzen Stolpersteinen besteht, war das einer der aufregendsten Heimwege überhaupt, zumal man außerdem darauf achten musste, nicht in einen entgegenkommenden Blindgänger zu laufen.
Auf den großen, befahrenen Straßen hat man dann dank der Autobeleuchtung mehr gesehen. Nichtsdestoweniger war der Anblick irgendwie absurd, weil es gerade mal 20 Uhr war und absolutes Treiben herrschte, nur eben bei relativ wenig Licht.
Daheim angekommen habe ich mich noch eine Stunde in den Garten gesetzt und dem Hund ein paar Streicheleinheiten verpasst. Was soll man sonst tun, wenn man im Zimmer nix sieht? So hab ich auch mitbekommen, wie der Strom zurückgekehrt ist, nämlich unter einem gewaltigen Jubel. Zum Vergleich: etwa so, wie wenn Deutschland gerade das 2:0 gegen Argentinien in einem WM-Viertelfinale schießt.
(Eine halbe Minute später ist der Strom wieder ausgefallen, wieder unter Gejohle aus allen Himmelsrichtungen.. ;) )

Ach so ja, und ich hab entzündete Mandeln, schon seit fast einer Woche. Ich trage brav einen Schal, trinke viel warmes, schwitze Nachts, aber mein Zustand ist unverändert kratzhalsig. Anscheinend geht derzeit was rum, aber es geht ja immer irgendwo irgendetwas rum, also ist das kein Grund, krank zu werden. Da es mittlerweile etwas nervt, gehe ich, wenn bis morgen keine Besserung eintritt, entweder in die Apotheke oder schneide mir die Mandeln selber raus. Das entscheide ich dann spontan.

Soviel von mir! Ich hoffe, euch Ferengis daheim geht’s auch gut. Möget ihr von Stromausfällen und Mandelentzündungen verschont bleiben.

Liebe Grüße,
Armin

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Entoto - über den Dächern von Addis

So, nun sind einige Tage seit dem letzten Eintrag vergangen, aber ich hab’s einfach nicht früher geschafft. Außerdem ist es gar nicht so einfach, da ich von Äthiopien der Zensur wegen nicht auf meinen Blog zugreifen kann. Aber dafür gibt es Lösungen, und zudem freut es mich zu verkünden, dass ich letzten Sonntag tatsächlich W-Lan gefunden habe und dann auch endlich den Treiber für meine Kamera runterladen konnte, die Bilder auf mein Notebook und von da weiter per USB an ein internetfähiges Gerät im Büro…
Die letzten Tage waren sehr ausgefüllt, da hier eigentlich stets volles Programm herrscht. Unter der Woche befand ich mich bis mindestens 17:30 (in D 16:30) im Büro, doch auch die Abende waren verplant.
Aber der Reihe nach… Am Freitag war die Woche sauber ausgeklungen; das Goethe-Institut (sowie andere Institutionen) war beim Botschaftsempfang vertreten, was ausgesprochen unterhaltsam war. Ein kleines, subjektives Highlight für mich war die Riesenschildkröte, die hinter unserem Stand gewartet, geschlafen, verharrt, möglicherweise philosophiert hat… jedenfalls hat sie sich stundenlang keinen Zentimeter bewegt. So würde ich auch 100 Jahre alt werden! Als sich die Gesellschaft dann etwas lichtete, hangelte sich ein Affe aus dem Bäumen und suchte nach Essensresten.
Ich hab mindestens so große Augen gemacht wie Mila Superstar und auch gelacht wie die Sonne über Fujiyama, aber meine Umgebung war nicht so beeindruckt. „Siehste hier dauernd…“, hieß es. Ich hatte bislang keine freilebenden Affen gesehen, und deswegen lege ich Wert darauf, dass das hier erwähnt wird.
Mit meinen beiden Mitpraktikantinnen wurde der Samstag dann zum Ausflugstag erklärt. Dazu gesellten sich außerdem Zakarias, einer unserer Deutschlehrer und Igor, ein herausragender Pianist (aber dazu später mehr).
Der Ausflug führte uns zum Entoto, den Hausberg von Addis Abeba. Dazu einen kurzen Schwenk in die Geschichte:
Addis Abeba wurde erst sehr spät gegründet, nämlich 1886. Seit 1881 residierte Menelik II., der damalige König von Shewa und spätere Kaiser von Abessinien auf dem Mount Entoto, was sowohl politische als auch traditionelle Gründe hatte. Der Entoto war bereits öfters als herrschaftliche Residenz ausgewählt worden.
Meneliks Frau aber, Taytu Betel, eine - wie die Geschichte später bestätigte - äußerst entscheidungsfreudige Frau, fand den neuen Wohnsitz eher mittelprächtig. „Zu kalt, zu windig, bäh!“, dachte sie sich und als Menelik II. 1886 dann geschäftlich weg musste, nutzte Taytu die Gunst der Stunde und verlegte den gemeinsamen Wohnsitz kurzerhand ins Tal. Da gab es warme Quellen und es herrschte ein, damals wie heute, außergewöhnlich angenehmes Klima.
Ich weiß nicht genau, wie Menelik II. bei seiner Rückkehr reagiert hat (in meiner Fantasie ist der gute Mann nach monatelanger Reise durch die äthiopische Wildnis komplett fertig diesen verdammten Berg hochmarschiert, hat sich auf ein warmes Bad gefreut, einen Honigwein vielleicht dazu… und dann klebt am Zelt ein Zettel mit „Schatz, sind umgezogen! Komm wieder runter. Hdl Taytu.“) – überliefert ist jedenfalls, dass er die Idee super fand, weil endlich genug Platz für eine ganze Stadt vorhanden schien. 1892 nannte die Stadt dann Addis Abeba, „neue Blume“, und machte sie zur Hauptstadt Äthiopiens.

Aber zurück zum letzten Samstag. Der Entoto ist auf jeden Fall einen Ausflug wert, wenn man schon mal da ist, aber extra herkommen braucht man deswegen nicht. ;) Der Weg nach oben, (wir haben übrigens alles motorisiert zurückgelegt) führt durch eine arme, aber traditionelle Gegend und nicht selten kommt einem eine Herde Esel oder Schafe entgegen. Die touristische Attraktion auf dem Berg sind die Marienkirche und der Palast Meneliks II. Ich muss sagen, ich war ein wenig enttäuscht. Der 1889 erbaute Palast ist etwas unspektakulär. Natürlich ist es ein historisches Bauwerk, und natürlich darf man nicht Maßstäbe anderer Bauwerke aus der Zeit oder 2000 Jahre davor ansetzten, aber irgendwie hatte ich mir mehr erhofft.
Nebenan gibt es noch ein kleines Museum, welches einige Bilder, Werkzeuge, Waffen, Kleidungsstücke etc. zeigt. Leider, und das scheint hier ein häufigeres Problem der Museen zu sein, wird dazu recht wenig erklärt. Manchmal weiß man nicht, von wann das Objekt ist oder versteht den geschichtlichen Kontext nicht, was schade ist, weil Informationen zum Ausstellungsstück die doch spärliche Auswahl erheblich aufwerten würden.
Abgesehen davon bietet der Entoto allerdings einen sehr schönen Ausblick auf Addis Abeba, den ich natürlich auch gerne mit euch teilen möchte.
Direkt vom Entoto sind wir wieder in Stadt gefahren, und haben ein Tej getrunken. Tej (sprich: Tedsch), das ist ein Honigwein, der extrem süß schmeckt und auf nüchternen Magen ganz schön reinhaut. Serviert wird Tej in einem Berele, das ist ein Glaskolben. Nach dem Tej bin ich erst mal heimgefahren und musste eine Stunde schlafen…

Am Abend dann hatte ich die Chance, in das Nachtleben von Addis einzutauchen. Tatsächlich hat die Stadt diesbezüglich so manches zu bieten. Man muss zwar in eine der gefühlt finstersten Ecken der Stadt fahren und an die Tür eines von außen dunklen Einfamilienhauses klopfen. Drinnen erwartet einen dann aber ein sehr gutes Restaurant namens Serenade mit den für hier typisch hohen Räumen. Das Lokal besticht durch sein Ambiente. Da es auf mehrere kleine Räume aufgeteilt ist, in denen jeweils nur etwa vier Tische stehen, ergibt sich eine sehr angenehme Atmosphäre.

Mein persönliches Highlight war der anschließende Besuch in einer traditionellen Stube, in der hauptsächlich Äthiopier unterwegs waren. Die Gäste saßen auf Kissen am Rand eines größeren Raums, während in der Mitte ein Sänger mit einer Massinqo, einer Art Geige, umherspazierte.
Zur Einleitung wurden melanchonische Klänge angeschlagen, allmählich aber wurde das Ganze komischer und schließlich ging der Sänger über zu improvisieren und seine Späßchen mit den Gästen zu machen.
Ein dankbares Opfer waren wohl wir, denn wir konnten nichts verstehen. Einer unserer äthiopischen Begleiter meinte, dass die Witze teilweise etwas flach und unverschämt gewesen wären und verglich den Humor etwa mit dem Stefan Raabs… Wie dem auch sei, wir hatten uns gut amüsiert. Irgendwann setzten dann auch Trommeln und weitere Instrumente ein, der Sänger verschwand im Hintergrund und Tänzer traten auf. Die Äthiopier tanzen vor allem mit den Schultern. Um zu unterstreichen, wie schwierig das ist, wurden Gäste aufgefordert mitzumachen, beginnend selbstverständlich mit mir. Das mag ich ja so gerne… naja, so konnten auch wir noch ein wenig zur allgemeinen Erheiterung beitragen. :)

Liebe Grüße,
Armin

Sonntag ist ein Tag der Ruhe....

Das kommt wohl daher, weil man Samstag abends feiern geht und dringend ausschlafen muss. :)
So habe ich es auch gehalten, und deswegen bin am Sonntag auch erst irgendwann im Laufe des Vormittags wieder auf der Suche nach einem W-Lan Café gewesen. Nach zwei vergeblichen Versuchen („no Connection today!“) habe ich dann in der Lobby des Jupiter Hotels tatsächlich W-Lan bekommen. Ein ganz persönliches Highlight für mich, der Kaffee dort kostet zwar unverschämte 15 Birr (65 cent), aber er ist es wert!
Mit meiner Mit-Praktikantin Katrin habe ich danach das Äthiopische Nationalmuseum angesehen.

Äthiopien wird ja gerne als „Wiege der Menschheit“ bezeichnet, und das liegt vor allem daran, dass Donald Johansson, ein US-amerikanischer Paläoanthropologe, 1974 ein Skelett gefunden hat. Dieses Skelett stammte von einem weiblichen, vielleicht auch männlichen Australophitecus und ist 3,2 Mio. Jahre alt. Das Fossil trägt den Namen AL 288-1, aber da irgendjemand in dem Ausgrabungslager ein großer Beatles-Fan war und ständig das Lied „Lucy in the Sky with Diamonds“ lief, hat man das Skelett zuerst spaßhaft, später dauerhaft Lucy genannt.

Lucy befindet sich heute in Houston, da die Lagerung in Addis Abeba zu gefährlich war. Dennoch ist der paläontologische Teil im Keller des Museums mit Sicherheit der am besten aufbereitete. Die reichlichen Funde sind gut dokumentiert und dargestellt. Leider ist das für den Rest des Museums nicht zutreffend. „Sie haben nicht viel, und sie machen leider auch nicht viel daraus“, hat ein kluger Kopf nach dem Besuch gesagt, und dieser Kopf sitzt auf meinem Hals. In den drei Etagen, die sich mit dem Rest der Geschichte befassen, ist im Grunde alles irgendwie untergebracht, was man hat. Zwar sollen den einzelnen Stockwerken verschiedene Epochen zugeordnet sein, gemerkt habe ich davon allerdings recht wenig. Objekte stehen an den Wänden, ohne Dokumentation, ohne geschichtlichen Kontext und das hinterlässt einen faden Beigeschmack. Während man vor wirklich interessanten Zeitzeugnissen steht und diese versucht, einer Epoche zuzuordnen, wird man dauerhaft beschallt, weil die Muesumscrew am Eingang gemeinsam vor dem laufendem Fernseher sitzt.
Das klingt etwas negativer, als es gemeint war. Ich für meinen Teil habe das Museum dennoch sehr spannend gefunden, weil, wenn auch ohne Hinweis auf Wer, wann und wo eine Reihe interessanter, alter Fotografien von Einheimischen dargestellt waren. Außerdem findet man im zweiten Stock eine schöne Auswahl zeitgenössischer Kunst. Eines der Bilder habe ich reingestellt, es heißt „Die Schlacht von Adwa (Adua)“. Ich nenne es „Black Gandalf going berserk“.
Und wenn wir schon dabei sind: Was hat es mit der Schlacht von Adwa auf sich?
Die Schlacht von Adwa fand 1896 statt und war der Höhepunkt des Italienisch-Äthiopischen Kriegs. Dieser Krieg beruhte auf den italienischen Expansionswünschen, Teile Ostafrikas zu besetzen. Nach einem erfolglosen Versuch 1887 gelang den Italienern 1889 die Besetzung Eritreas. Im selben Jahr kam es zu einem Freundschaftsvertrag zwischen Italien und dem Kaiserreich Abessinien. Blöderweise stimmten die italienische Version und amharische Version des Vertrags nicht überein, so dass Menelik II. ziemlich erstaunt war, als Italien den anderen europäischen Großmächten verkündete, Abessinien sei jetzt italienisches Protektorat. Es kam, wie es kommen musste: Menelik II. kündigte den Vertrag, Italien blockierte die Küste und versorgte Gegner Meneliks mit Waffen. Im Sommer 1895 griff Abessinien dann mit Unterstützung der Franzosen an. Italien „gewann“ im Dezember selben Jahres die Schlacht um Amba Agali, als 30.000 Äthiopier 2.400 Italiener angriffen, von denen 600 überlebten.
Damit endete aber das italienische Schlachtenglück. 1896 kam es zur Schlacht von Adwa, als 80.000 bis 150.000 (ganz sicher ist das wohl nicht) äthiopische ca. 18.000 italienische Soldaten angriffen. Die Niederlage war für Italien verheerend. 2.500 Soldaten konnten entkommen, 3.000 gerieten in Gefangenschaft. Auf äthiopischer Seite kamen 10.000 Soldaten ums Leben. Die Niederlage führte zur Regierungskrise in Italien und beendete den Äthiopienfeldzug fürs erste (Mussolini entdeckte dann später seine Ansprüche auf das Gebiet, aber dazu ein anderes Mal).
Der Siegestag (1. März) der Schlacht von Adwa ist bis heute ein Nationalfeiertag in Äthiopien.


“After the victory over Italy in 1896, Ethiopia acquired a special importance in the eyes of Africans as the only surviving African State. After Adowa, Ethiopia became emblematic of African valour and resistance, the bastion of prestige and hope to thousands of Africans who were experiencing the full shock of European conquest and were beginning to search for an answer to the myth of African inferiority."
(Molefe Asante)

Dienstag, 28. September 2010

Kein W-Lan, keine Bilder


(27. September)

Ich würde wirklich gerne ein paar Bilder hochladen, aber meine Suche nach einem W-Lan Café ist derzeit nicht vom Erfolg gekrönt. Im Internet wurden drei Cafés mit derartigen Angebot angepriesen: New York Coffee Cup, das Skylite Café und der Limetree. Das New York Coffee Cup scheint es nicht mehr zu geben, das Skylite bietet kein Internet mehr an und der Limetree hatte Stromausfall. Letzteres sah aber sehr nett aus, vielleicht werde ich da nochmal hinfahren. Allerdings befindet es sich wie alle anderen genannten Lokale in Bole, einem Stadtteil, der von meinem doch ein Stück entfernt ist. Im gleichen Stadtteil bietet außerdem wohl noch eine Hotellounge W-Lan an. Ich bin gespannt…

Ich erkenne bei den Taxis mittlerweile ein Muster: Die Fahrer sind alle immer vorbildlich angeschnallt, aber beim Beifahrer fehlt der Gurt (vier Taxifahrten = vier fehlende Gurte). Ich hatte in Kairo schon immer ein mulmiges Gefühl, wenn keine Gurte vorhanden waren - aber wenn der Fahrer einen hat und ICH NICHT, wird mir schlecht. Ich habe deswegen beschlossen, alle weiteren Fahrten auf dem Rücksitz zu verbringen.
Ansonsten scheint mir der Verkehr zwar gleich chaotisch wie der in Kairo, aber weniger überfüllt zu sein. Die Autos fahren grundsätzlich eine Spur langsamer und weniger aggressiv und die geringere Menge an Fahrzeugen macht die Fahrten etwas entspannter. Allerdings waren meine beiden ersten Tage auch durch Feiertage geprägt, insofern kann es morgen schon ganz anders aussehen.

Netterweise hatten mich meine Gastgeber heute morgen zum Frühstück mit eingeladen. Das Angebot habe ich gerne angenommen, dabei viel von der Stadt und dem sozialen Projekt, dass die beiden betreiben, erfahren. Dazu werde ich ein anderes mal mehr schreiben.
Außerdem habe ich mein erstes äthiopisches Gericht namens Ken´che (Q´ntschi oder so ähnlich ausgesprochen ;) ) gegessen. Das ist ähnlich wie Couscous, allerdings scharf gewürzt. Ich bin es zwar nicht gewohnt, schon morgens scharf zu essen, aber es hat sehr lecker geschmeckt. Dazu den berühmten äthiopischen Kaffee, der wohl aber milder zubereitet war, als er sonst im Lande getrunken wird. Dazu Zucker. Das erwähne ich deshalb, weil es auf dem Land nicht unüblich sein soll, Salz in den Kaffee zu geben. Erstens weil es günstiger ist als Zucker, zweitens wohl traditionell bedingt. So oder so, ich bleib beim Zucker. ;)

Liebe Grüße,
Armin

Servus, Addis - Dehna aderk, Armin

(26. September)
Ankunft 4 Uhr morgens am Flughafen Addis Abeba!
Der Flug war im Grunde angenehm, da das Flugzeug wenig besetzt war. Den fehlenden Nervfaktor durch zu viele Fluggäste machte aber ein junger Mann in der Nachbarreihe wett. Als selbsterklärter Businessman lief er zur Höchstform auf, als eine Gruppe hübscher äthiopischer Maids aus dem Yemen kommend sich in seine Nähe setzte. Bis zur Landung konnte der Gockel das Gackern nicht lassen… Skurril: Zum ersten Mal habe ich erlebt, dass jemand ernsthaft mit der Stewardess über die Anschnallpflicht beim Start diskutiert. Mit einem jovialen, mehrmals wiederholten „Malesh“ versuchte er eindringlich, die ägyptische Stewardess von seinem Standpunkt zu überzeugen, diese allerdings hatte wenig für seine Späßchen übrig. Die Spannung zwischen Passagier und Crew verstärkte sich noch im Laufe des Fluges, sodass irgendwann ein grimmiger Steward die Einzelbetreuung dieses Fluggastes übernahm . :)

Klaus Betz, der Leiter meiner Unterkunft, war so nett, mich vom Flughafen abzuholen. Auf der Fahrt durch das nächtliche Addis Abeba ist mir auch gleich das erste prophezeite Merkmal ins Auge gesprungen: Die Läufer in der Dunkelheit. Allein auf der Rückfahrt sind mir acht davon begegnet. Der Traum, in Haile Gebrselassies (s. Bild) Fußstapfen zu treten (nein, zu laufen, höhö….) ist hier omnipräsent.
Im Guesthouse angekommen, bin ich erst mal direkt ins Bett gefallen. Da ich schon wenige Stunden später am Goethe-Institut sein sollte, um den Schlüssel und eine erste Einweisung zu bekommen, war das nicht die schlechteste Entscheidung.
Das Goethe-Institut in Addis Abeba befindet sich auf dem Gelände der Universität, genauer gesagt in der Fakultät für Business und Economy. Von meiner Unterkunft ist es wirklich nur ein kleiner Fußmarsch von vermutlich 15 Minuten dorthin (ich hab mich kurz verlaufen, insofern hab ich ein bisschen länger gebraucht).
Das Institut selbst befindet sich in einem sehr schönen, fast herrschaftlichen Haus, ehemals der Wohnsitz von einem der Söhne Haile Selassies (a.k.a. der König der Könige). Der Gärtner, der dort wirklich sehr gute Arbeit leistet, hat sich dann auch die Zeit genommen, mir die ersten amharischen Worte beizubringen: Dehna aderk, Guten Morgen.

Im Anschluss konnte ich mir einen ersten Eindruck von Addis holen . Ich schlenderte vom Goethe-Institut zum Hauptgebäude der Universität, wo leider das Museum of Ethiopian Studies einer Zeremonie wegen geschlossen war.
Von dort bin ich dann im übertragenen Sinne etwas planlos, im wörtlichen Sinne vollkommen planlos, weitergezogen und hab mich anhand der gut eingeprägten Straßennamen durch die Stadt geschlagen. Witzigerweise dürfte ich damit die einzige Person in Addis sein, die die Straßennamen kennt. ;) Zur Orientierung dienen hier eher Merkmale und spezielle Orte. Für mich hat sich der Lion Park, der hiesige Zoo als gute Anlaufstelle erwiesen, da die Russia Street, in der ich wohne, hier beginnt.

Von Addis Abeba habe ich sonst an meinem ersten Tag so gut wie gar nichts und recht viel gesehen. Ca. zweieinhalb Stunden bin ich einfach mal zu Fuß durch die Stadt gezogen, auf der Suche nach einem ansprechenden Lokal. Blöderweise bin ich aber noch zu europäisch, um mich in die Straßencafés zu setzen. Wenn ich bedenke, in was für Bruchbuden wir als Schüler unterwegs gewesen sind, kaum zu glauben.
Das Stadtbild von Addis Abeba unterscheidet sich stark von Kairo, zumindest dem der letzten Jahre. Die Armut ist allgegenwärtig, zumindest dort, wo ich gewesen bin. Zwischen den Hochhäusern stehen die windigen Wellblechhütten oder zumindest kleine, wenig vertrauenerweckende Häuschen, die aber als Apotheken, Geschäfte und Optiker bezeichnet sind. Immer wieder liegen Obdachlose an den Straßenseiten, eingehüllt in Tüten, und die Bettelei ist stärker ausgeprägt als im heutigen Kairo. Vor allem Kinder umringen einen und zupfen an den Kleidern. Für mich fürs Stadtbild prägend waren vor allem die vielen Tierkadaver, die nicht weggeräumt werden. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob die Hunde schlafen, aber sie sehen so ausgemergelt aus, dass ich es mir beim besten Willen nicht vorstellen kann. Wenn ich morgens das Haus verlasse, grinst mich ein gehörter Ziegenschädel an.

Dabei muss man sagen, dass Addis das Potential zu einer wunderschönen Stadt hat. Durch das hügelige Fundament ergeben sich immer wieder schöne Ausblicke, die Luft ist frisch, das Klima sehr angenehm. (Ich muss mit meiner Ankunft großes Glück gehabt haben, denn die Regenzeit scheint tatsächlich mit meiner Landung geendet zu haben. Klaus jedenfalls meinte, er habe seit Monaten nicht mehr einen so schönen, blauen Himmel gesehen. Vermutlich hatte ich ein wenig ägyptisches Klima im Rucksack...)
Die Stadt ist grüner als ich erwartet habe, die Pflanzen gedeihen aufgrund des hohen Niederschlags und mit den oben genannten Aspekten wäre Addis eine echte Traumstadt, wäre nicht der Müll, der Schotter und die Armut an jeder Ecke so präsent.

Die Äthiopier in der Stadt sind sehr unaufdringlich. Man wird zwar beäugt (kein Wunder, viele Weiße habe ich nicht gesehen), aber angesprochen kaum. Drei junge, freundliche Polizisten haben dem ver(w)irrten Europäer Richtungsangaben gemacht und mich mit den Standardfloskeln begrüßt und willkommen geheißen.

Nachdem ich, mit Notebook und dicker Jacke bewaffnet, allmählich die Lust an der Latscherei verloren hatte und keine Ahnung mehr hatte, wo ich war, habe ich mir dann ein Taxi gerufen. Die sind im Grunde wie in Kairo alte, zusammengeflickte Autos, hellblau-weiß gestrichen, wie übrigens alle öffentlichen Verkehrsmittel. Die Taxifahrt läuft hier im Grunde wie in Ägypten, man handelt einen Preis aus und zahlt als Ausländer freilich mehr. Wie ich im Nachhinein von Ruth Betz, einer Äthiopierin, erfahren habe, bin ich aber ganz gut weggekommen. Bei einer späteren Taxifahrt habe ich dem Taxifahrer einfach gefragt, was er für angemessen hält, und auch da war der Preis fair.

Gegessen habe ich dann im Pizza Corner, das mir im Internet empfohlen wurde. Und was? Genau! Pizza. Eine Sünde für weltoffene Globetrotter, eine Sicherheitsvorkehrung für skeptische Europäer mit empfindlichen Magen. Das Restaurant führt zwar auch einheimische Gerichte, aber ohne Beschreibung. Auf Nachfrage antwortete der Kellner „Beef!“, aber das war mir dann zu ungenau... :)

Die Heimfahrt bin ich dann im Minibus angetreten. Auch das war eine positive Erfahrung. Die Minibusse sind von zwei Personen besetzt, einem Fahrer und einem Kassierer, der an den Haltestellen ausruft, wo es denn hingeht. Während der Fahrt tippt der Junge dann die einzelnen Gäste an und verlangt das Fahrtgeld. Die genauen Kosten waren mir nicht bekannt, also habe ich einen Fünf-Birr-Schein gereicht (was ganz grob vielleicht 25 Cent sind) und nicht erwartet, was zurück zu bekommen. Tatsächlich hat mir der Junge dann drei Birr zurück gegeben, was mich ehrlich überrascht hatte. Von Ruth habe ich erfahren, dass sie mal erlebt hatte, wie einer der Jungs einem Ausländer weniger Geld zurückgegeben hatte und daraufhin die anderen, einheimischen Gäste laut protestiert hatten.

Daheim angekommen bin ich lediglich dazu gekommen, meinen Koffer auszupacken und die Schränke einzuräumen. Bereits um sechs Uhr abends bin ich müde ins Bett gefallen und habe die Nacht durchgeschlafen. Das war aber auch dringend nötig. :)

Liebe Grüße,
Armin